
Anlässlich der beiden Jubiläen "30 Jahre Ökumenischer Hospizdienst (ÖHD)” und "25 Jahre Förderverein Ökumenischer Hospizdienst (FÖHD)” fand sich im Bruchsaler Ehrenbergsaal ein begeistertes Publikum ein. Helge Pönnighaus freute sich in seiner Begrüßung, den "ersten Auftritt" in seinem neuen Amt als 1. Vorsitzender des FÖHD bei dieser Lesung haben zu können.
Charmant, tiefgründig und humorvoll erzählte Petra Frey (Schauspielerin: Petra Auer) von ihren reichen Erfahrungen in der Begleitung am Lebensende. Eine Gratwanderung - schließlich geht es um den Tod.
Durch das frühe Versterben ihrer Eltern kam sie ganz persönlich mit vielen Facetten von Sterben, Tod und Trauer in Berührung. Während bei ihrem Vater alles sehr dramatisch verlief und sie sich nicht mehr von ihm verabschieden konnte, erlebte sie das Sterben ihrer Mutter im Hospiz als "versöhnt": "Bitte - einmal, wenn es so sein muss, dann würdevoll." Und dieses "würdevoll" kann sich auch im Geschmack einer einzelnen frischen Erdbeere erfahren lassen - einem letzten Lebenswunsch.
Beim ersten Einsatz als ehrenamtliche Sterbebegleiterin (nicht zu verwechseln mit "Sterbehelferin"!) war sie aufgeregt und fühlte sich "bereit, die Welt zu retten". Doch was tun, wenn der eigentlich nicht mehr ansprechbare Herr die Augen aufschlägt, seinen Hunger bekundet und sie nicht weiß, wie sie ihm die heiße Suppe geben kann? Seine Reaktion löste nicht nur bei den anwesenden Ehrenamtlichen herzliches Lachen aus: "Frau Frey, probieren Sie sich ruhig bei mir aus, bei mir geht nichts mehr kaputt."
Seit 2019 begleitet der Musikpädagoge und Profi-Schlagzeuger Manuel Ehlich die Lesungen virtuos. Mit Marimbafon und "Ufo” zaubert er Klänge, die zwischen den einzelnen Geschichten nachschwingen, befreien und neu einstimmen. Eine Einstimmung auf berührende Begegnungen am Lebensende.
Da gibt es zum Beispiel die Feng-Shui-Beraterin. In einem klaren Moment traute sie sich zum ersten Mal, offen und ohne Angst von ihrer wahren Liebe zu erzählen - nicht dem lieben und anständigen Ehemann, sondern der Schwägerin. Eine Liebe, die zu jener Zeit nicht offen gelebt werden konnte.
Oder die zierliche Dame, die an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt war und von ihrem Mann zu Hause in ein karges Zimmer ohne persönliche Gegenstände gelegt wurde. "Mein Mann hat das so entschieden. Er wollte nicht, dass der Teppich schmutzig wird, wenn ich mich wieder übergeben muss." Sie hatte ihr Leben auf die Bedürfnisse von Ehe, Familie und Beruf ihres Mannes ausgerichtet. Sie lebte weder eigene Wünsche aus, noch erlaubte sie sich, die ungeliebte Bindung zu lösen. Am Lebensende durfte sie jedoch erfahren, dass jemand bei ihr saß, ihre Trauer über ein ungelebtes Leben aushielt und ihr Raum für ihre Geschichte schenkte. Danach verstarb sie.
"Wenn du merkst, dass du mehr auf Beerdigungen als auf Partys gehst, weißt du, dass du alt bist." Die Chemotherapie hatte der ehemaligen Schauspielerin zwar die Haare genommen, jedoch nicht die Würde und die unbändige Lebensfreude. Mit ebenfalls betagten Freundinnen führte sie Dialoge wie: "Liebchen, du hast ja zugenommen! Oder bist du jetzt in dem Alter, in dem man ein paar Kilo mehr braucht, um die Haut zu straffen?” - "Na hör mal, was denkst du denn? Ich habe mich nur ein wenig weiterentwickelt", gefolgt von ungestümem Lachen und herzhaften Umarmungen. Sie schaffte es, ihre letzten Momente selbst zu inszenieren. Im Kreise geladener Menschen, die ihr wichtig waren, tat sie den letzten Atemzug, nachdem sie verkündet hatte: "Ich bin dann mal tot."
Kann man sich auf das Sterben vorbereiten? Überraschenderweise signalisieren die meisten im Publikum, eine Patientenverfügung zu haben. Wenn ich mir heute überlege, was mir am Lebensende wichtig ist, tut mir das gut. Außerdem befreie ich damit meine Familie, Freunde und Bevollmächtigten von großem Rätselraten in einer oft fordernden Zeit. Brauche ich warme Socken? Liege ich gerne auf der Seite? Möchte ich Zucker im Kaffee? Und natürlich die ganzen medizinischen Fragen. Für Auto und Haus wird meist gründlich vorgesorgt, doch wie sieht es mit dem Lebensende aus?
Wenn die Ehefrau auf dem Sterbebett ihren Mann liebevoll bittet, nach ihrem Tod keine Daueraufträge mehr abzuschließen, da sonst nicht auffallen würde, dass er nicht mehr aus der Wohnung kommt, oder wenn sich der 80-jährige Schreinermeister schelmisch darüber freut, dass er, dem aufgrund seiner Erkrankung die Zähne ausfallen, in seinem Alter noch etwas für die Zahnfee hat, dann führt uns Petra Frey ganz nah an das Leben, das Leben bis zum letzten Atemzug.