Respekt, Toleranz und mehr Wertschätzung für die eigenen Kompetenzen vermittelte die Sozialpädagogin Julia Hinz im vergangenen Jahr knapp 1.300 Schülern in Östringen. "Seit der Pandemie wissen Kinder und Jugendliche nicht mehr, was ihre Stärken sind", so Hinz. Als Respekt Coach ist sie seit 2021 an der Thomas-Morus-Realschule, dem Leibniz-Gymnasium und der Carl-Dänzer-Schule in Östringen.
Das Projekt der Caritas Bruchsal wurde bisher vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Mit den geplanten Haushaltskürzungen im nächsten Jahr droht nun das Aus. Nach dem Entwurf des Bundeshaushalts 2024 sollen die Mittel für die freie Wohlfahrtspflege und deren Angebote bundesweit im Schnitt um 25 Prozent gekürzt werden.
Der Antrag für einen weiteren Respekt Coach für Bruchsal ist damit erst mal vom Tisch, wie Caritas-Vorstandsvorsitzende Sabina Stemann-Fuchs bedauert. Dabei wird es nicht bleiben. In allen sozialen Bereichen drohen massive Einschränkungen durch die geplanten Mittelkürzungen.
Das wurde am Mittwoch beim Treffen der Wohlfahrtsverbände im Landkreis Karlsruhe bei der Caritas Bruchsal deutlich. Es betrifft die Freiwilligendienste wie das Soziale Jahr (FSJ) und den Bundesfreiwilligendienst (BFD), die Migrationsberatungen für Jugendliche und Erwachsene, die Suchtberatungsstellungen und den Pflegebereich.
"Das hat Folgekosten, die weit über den Kürzungen liegen", fürchtet etwa der neue DRK-Geschäftsführer des Kreisverbands Karlsruhe mit Sitz in Bruchsal, Daniel Schneider. In Östringen beispielsweise war es in der in den vergangenen Jahren zu teilweise massiven Übergriffen an Schulen gekommen. Stemann-Fuchs erinnerte daran, dass im Jugendhilfeausschuss des Landkreises bereits festgestellt wurde, dass ohne Prävention und Förderungen im Vorschulalter die späteren Ausgaben für Hilfemaßnahmen dreimal höher liegen.
Während im Bereich soziale Arbeit Kürzungen drohen, stehen die Träger der freien Wohlfahrt vor einem steigenden Bedarf an Beratung. Rüdiger Heger, Geschäftsführung des Diakonischen Werks im Landkreis Karlsruhe, wird deutlich: "Die Kürzungen bei der Migrationsberatung sind angesichts des Fachkräftemangels unverständlich." Um ausländische Arbeitskräfte anzuwerben, sind Fragen des Aufenthaltsrechts, der Arbeitsaufnahme, der Sprachvermittlung und der Anerkennung von beruflichen Qualifikationen zu klären. Komplexe Themen, die angesichts von drohenden Einsparungen von 30 Prozent nicht mehr machbar seien. In Bruchsal und Bretten gibt es jeweils eine Migrationsberatung. Der Beratung in Bretten droht nun das Aus.
Einen steigenden Beratungsbedarf sieht auch Christian Braunagel, Leiter der Regionalgeschäftsstelle Mittelbaden vom Paritätischen Wohlfahrtsverband beim Thema Sucht: Alkohol, Drogen, aber auch Medien- und Spielsucht sowie Essstörungen.
Abhängigkeiten, die sich seit der Pandemie verbreitet haben. Nun komme auch noch die Legalisierung von Cannabis. Bei Kürzungen wären möglicherweise die Obdachloseneinrichtung beim Itzelhaus der Caritas oder die Suchtberatung der Diakonie in Bretten betroffen.
Bei der täglichen Arbeit der Wohlfahrtsverbände haben die freiwilligen sozialen Dienste eine wichtige Funktion: Durch die drohenden Mittelkürzungen fällt laut Daniel Schneider jede vierte Stelle weg. Für die jungen Leute ist das Jahr oft eine wichtige Orientierungsphase nach der Schule. Auch viele Männer würden sich danach für einen sozialen Beruf entscheiden. "Da gehen wichtige Kapazitäten verloren", so Schneider.
Nach Einschätzung von Caritas-Vorstand Stemann-Fuchs könnten die Tafel nicht ohne die Freiwilligendienste arbeiten, für die mancher sich auch im fortgeschrittenen Alter interessiert. "Die FSJler sind eine wichtige Säule bei der Betreuung", bestätigt Elke Krämer, Geschäftsleitung der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Karlsruhe-Land.
Sie warnt vor einem steigenden Eigenanteil bei der Pflege bei gleichzeitig höheren Personal- und Sachkosten in den Einrichtungen. Der Bund will nämlich den Zuschuss zur Pflege streichen. Derzeit betrage der Eigenanteil im Awo Seniorenzentrum Bundschuh in Untergrombach im Schnitt 1.015 Euro monatlich, so Krämer. Danach könnte er um bis zu 30 Prozent steigen, während Zuschüsse gestrichen werden. Das können immer weniger Rentner und Angehörige finanzieren. Schon jetzt betrage der Anteil der Sozialhilfeempfänger in Untergrombach 15 Prozent. Diese Zahl dürfte weiter steigen. Nach Einschätzung von Stemann-Fuchs bedeuten die Kostensteigerung eine "Enteignung des Mittelstands": "Deshalb sollte genau hingeschaut werden, welche Folgen die Mittelkürzungen haben. Sonst droht ein Eigentor."
Quelle: BNN